Biotech-Branche stellt neue Bestmarken auf: Unternehmen nahmen 2015 71 Milliarden US-Dollar auf

02.05.2016

Der Boom der internationalen Biotech-Branche hält an: Mit insgesamt knapp 71 Milliarden US-Dollar nahmen Biotech-Unternehmen in den USA und Europa im vergangenen Jahr mehr Kapital auf als je zuvor. Damit übertrafen sie die 2014 aufgestellte Rekordmarke von 56 Milliarden US-Dollar nochmals deutlich. Der Großteil dieser Finanzierungen entfällt mit 61,1 Milliarden US-Dollar auf Biotech-Unternehmen in den USA – das entspricht einer Steigerung von 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch in Europa kletterten die Finanzierungen in die Biotech-Branche um drei Prozent auf rund 9,9 Milliarden US-Dollar. Das sind die Ergebnisse des aktuellen Biotech-Reports der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY.

Erich Lehner, Partner und Industry Leader Biotechnology bei EY Österreich: „Die globale Biotech-Branche befindet sich momentan in einem Allzeithoch, dies- und jenseits des Atlantiks sind die Finanzierungen so hoch wie nie zuvor. Die Biotech-Unternehmen haben es speziell in den letzten zwei Jahren sehr gut geschafft, Investoren von ihrem Wertsteigerungspotenzial zu überzeugen und das aufgrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik zur Genüge vorhandene Kapital anzuziehen. Die Kassen der meisten Biotech-Unternehmen, speziell in den USA, sind prall gefüllt. Das kurbelt die Forschung weiter an und wird in den nächsten Jahren zu weiteren Durchbrüchen führen.“

In Österreich lukrierten Biotech-Unternehmen 2015 insgesamt 259 Millionen US-Dollar – davon gingen allerdings 226 Millionen US-Dollar an ein einziges Unternehmen. Rechnet man die Venture-Capital-Finanzierungsrunde und den IPO von Nabriva Therapeutics mit Sitz in Wien heraus, die 120 bzw. 106 Millionen US-Dollar einbrachten, bleiben gerade einmal Finanzierungen in der Höhe von 33 Millionen US-Dollar für österreichische Biotech-Unternehmen übrig.

Demensprechend gibt EY-Partner Erich Lehner zu bedenken, dass dieser Boom keineswegs flächendeckend zu beobachten ist: „Die in diesem Jahr erneut aufgestellten Rekordmarken bei der Kapitalbeschaffung deuten auf ein starkes Momentum der Biotech-Branche hin. Das überdeckt hingegen, dass der Boom von einigen wenigen Ländern, speziell den USA und Großbritannien, getragen wird. In anderen europäischen Ländern ist die Finanzierungssituation für Biotech-Unternehmen weit weniger rosig. Auch in Österreich gelingt es den Biotech-Unternehmen bis auf eine Ausnahme kaum, an diesem Aufwärtstrend teilzuhaben. Gerade Start-ups fehlt es hierzulande oft am nötigen Risikokapital, um den nächsten Schritt zu machen. So bleiben viele Innovationen, die meist mit Risiken über längere Zeiträume verbunden sind, in der Kinderschuhen stecken und schaffen es nicht bis zur Marktreife.“

Biotech-Branche stellt neuen Venture-Capital-Rekord auf – Fokus auf Start-ups
Global gesehen spiegelt sich das Interesse der Investoren in Biotech-Unternehmen jedoch auch in den internationalen Venture-Capital-Zahlen wider, die 2015 ebenfalls eine neue Rekordhöhe erreichten. In den USA konnten Biotech-Unternehmen im vergangenen Jahr 9,4 Milliarden US-Dollar anziehen, 2014 waren es 5,6 Milliarden US-Dollar. Auch in Europa stieg das Risikokapital rasant von 2 Milliarden US-Dollar auf 2,5 Milliarden Euro an. Demgegenüber steht in Österreich die Finanzierung in Nabriva Therapeutics, die das VC-Geschehen als einzelner Leuchtturm bestimmt. Mit 120 Millionen US-Dollar verzeichnet der in Österreich und Philadelphia beheimatete Biopharmazie-Spezialist die zweithöchste Venture-Capital-Investition des Jahres innerhalb von Europa.

Im Vergleich zum Vorjahr gab es 2015 eine Verschiebung der Schwerpunkte bei Risikokapitalinvestitionen und auf dem internationalen Börsenparkett. Die Investoren blicken nunmehr verstärkt auf Unternehmen mit Produkten in frühen Entwicklungsstadien. So konnten junge Start-ups aus den USA in der Seed- und ersten Phase das Durchschnittsvolumen um 87 Prozent auf 18 Millionen US-Dollar steigern. 2015 hat sich zudem der Anteil der Firmen, die an die Börse gingen und sich in Phase I oder sogar noch in der Präklinik befinden, von 14 auf 30 Prozent verdoppelt. In den USA gab es zudem erstmals mehr IPOs auf dem Gebiet der Neurologie (Anteil 33 Prozent) im Vergleich zur Onkologie (Anteil 21 Prozent), während in Europa die Onkologie nach wie vor den größten Schwerpunkt bildet (31 Prozent).

„Die guten Erfahrungen während des weitgeöffneten Börsenfensters haben das Vertrauen der Investoren in die Biotechnologie gestärkt“, sagt Lehner. „Gleichzeitig sind viele Kandidaten mit weit fortgeschrittenen Produkten bereits an die Börse gegangen. Das erlaubt vielen Kandidaten mit weniger reifen Produkten jetzt den Sprung an die Börse – die Investoren nehmen das gesteigerte Risiko in Kauf.“

In Europa gingen 2015 insgesamt 33 Biotech-Unternehmen an die Börse, in den USA 45. Nachdem das IPO-Fenster in den vergangenen drei Jahren weit geöffnet war, flachte die Kurve damit leicht ab. In den USA gab es im Vorjahr 63 Börsengänge, in Europa blieben die Börsengänge auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr.

Zahl der M&A-Deals geht nach oben
Parallel zur Entwicklung am Kapitalmarkt werden Biotech-Firmen als Partner und Übernahmeobjekte immer attraktiver. So ist die Zahl der M&A-Deals unter Beteiligung von Biotech 2015 im Vergleich zu 2014 insgesamt um 30 Prozent nach oben gegangen. 197 Transaktionen in den USA standen 174 in Europa gegenüber.

Das Dealvolumen weltweit hat sich mehr als verdoppelt und liegt mit 107 Milliarden US-Dollar erstmals über der 100-Milliarden-Grenze. Das liegt vor allem an den sieben Megadeals im vergangenen Jahr – Transaktionen mit Volumina von über fünf Milliarden US-Dollar. Ihr Wert alleine macht derzeit fast zwei Drittel der Gesamtsumme aus.

„Die Preise, die Biotech derzeit erzielt, zeigen das gewachsene Ansehen der Branche bei strategischen Partnern und reflektieren die Wertsteigerungen an den Kapitalmärkten. Gerade die Pharmaunternehmen werden durch Wachstums- und Innovationsdruck angefeuert und können sich im derzeitigen Niedrigzinsumfeld günstig refinanzieren. Dadurch sind sie auch bereit, deutlich höhere Preise zu zahlen. Auf der anderen Seite sind die hohen Preise aber auch ein Zeichen dafür, dass Innovation an sich immer teurer wird. Es wäre wünschenswert, wenn auch verstärkt österreichische Unternehmen sichtbar werden und internationale Investoren auf sich aufmerksam machen“, sagt Lehner abschließend.


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