Deutscher Wirtschaftsweise Lars P. Feld in der RLB OÖ

RLB Logo

28.04.2016

"Zeit, die Draghi kauft, wird viel zu wenig genutzt!"

 

Angesichts der Tatsache, dass in einigen Ländern Europas bereits Reformen zurückgedreht werden, habe er deutlich mehr Sorge als noch vor einigen Monaten, sagte Prof. Dr. Lars P. Feld, Mitglied des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ in Deutschland, anlässlich der Verleihung des Raiffeisen Wissenschaftspreises am 16. März 2016 in der Raiffeisenlandesbank OÖ. „Die Zeit, die EZB-Präsident Draghi den Mitgliedsstaaten mit seiner Geldpolitik kauft, wird viel zu wenig genutzt.“ Auch Österreich gehöre zu den Sorgenkindern.

Neue Prognose in der Karwoche
In der kommenden Woche wird der Sachverständigenrat in Deutschland seine aktualisierte Prognose für 2016 veröffentlichen. Auch Zahlen für 2017 werden bereits vorgelegt. Trotz einiger Turbulenzen, die es zu Jahresbeginn in der Weltwirtschaft und auch in Europa gab, würden die Zahlen für Deutschland nicht sehr stark von jenen Prognosen abweichen, die der Weisenrat im Herbst präsentiert hatte, kündigte Feld an.

Deutschland gut in Schuss
Gemessen an den Kriterien, die der Sachverständigenrat zu prüfen hat - Stabilität und Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum – geht es Deutschland sehr gut. „Hier können wir sagen, die Situation ist so günstig wie sie noch nie war“, betonte Feld. Man könne Probleme mit Zuversicht in Angriff nehmen und müsse nicht in Ängstlichkeit verfallen. Ein für Deutschland relativ ungünstiges außenwirtschaftliches Umfeld wird durch eine starke Binnennachfrage mehr als kompensiert. Vor allem der Staatskonsum ist massiv gestiegen.

Euro-Länder bereiten mehr Sorge
Sorgenvoller zeigte sich der Ökonom im Hinblick auf die Währungsunion. „Regierungsumbildungen haben dazu geführt, dass beispielsweise in Portugal erfolgreiche Reformen wieder zurückgedreht werden“, konstatierte Feld, der auch in Spanien und Irland, das am stärksten von einem Brexit betroffen wäre, Unsicherheiten sieht. „Dann hätten wir mit Irland, Portugal, Griechenland und vielleicht auch Spanien wieder jene vier Länder auf dem Tisch, die schon im Zuge der Euro-Krise die größten Probleme hatten.“

Frankreich mit den größten Reformrückständen
„Die Zeit, die EZB-Präsident Mario Draghi mit seiner Geldpolitik kauft, wird vor allem von Italien und Frankreich unzureichend genutzt“, sagte Feld. In Italien komme eine an sich gelungene Arbeitsmarktreform durch Verflechtungen mit juristischen Themen viel zu wenig in der Praxis an. Auch im Banksystem finde eine Strukturbereinigung statt. Für Frankreich hatte Feld bis vor Kurzem die Hoffnung auf eine Arbeitsmarktreform. Sie sei aber bereits so verwässert, dass sie kaum Auswirkungen haben werde. Feld: „Frankreich ist weiterhin das Land mit den größten Reformrückständen in Europa.“

Auch Österreich ein Sorgenkind
Zu den Sorgenkindern gehört für den deutschen Wirtschaftsweisen auch Österreich. „Wir erwarten nach unseren Prognosen auch für dieses Jahr keine dynamische Wirtschaftsentwicklung und beobachten für Österreich eine Seitwärtsbewegung.“

Schneider: Österreich muss Reformen angehen
Österreich könne sich Deutschland bei der Umsetzung von Reformen als Vorbild nehmen, meinte der Linzer Univ.-Prof. Friedrich Schneider. So sei es in Deutschland durch die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes in den vergangenen Jahren gelungen, die Arbeitslosigkeit nachhaltig zu senken, wogegen sie in Österreich weiter steige. Mutige Reformen mahnte Schneider auch bei der Budgetpolitik ein: „Trotz starkem Einnahmewachstum können die Staatsausgaben seit Jahren nicht gedeckt werden. Wir geben vor allem auch durch Transferleistungen immer mehr aus, als wir einnehmen.“ Um den Staatshaushalt zu entlasten, sei daher die Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 65 Jahre dringend überfällig.

Sozialpartnerschaft muss wieder funktionieren
„Die funktionierende Sozialpartnerschaft war lange ein Vorteil Österreichs gegenüber anderen Ländern. Hier muss der aktuelle Stillstand überwunden werden“, ist Schneider überzeugt. Durch Unsicherheiten wie etwa der steigenden Arbeitslosigkeit bleibe die Stimmung in der Bevölkerung schlecht. „Das hemmt die Konsumneigung, die Menschen sind zurückhaltend.“ Das sei auch der Grund, warum die Steuerreform, die ja die Konjunktur beleben soll, nicht recht greife.

Exzellenzoffensive für Universitäten
Für eine nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich forderte Schneider eine Exzellenzoffensive für die Universitäten ein: „Es fehlen uns umfangreiche Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung.“ In Deutschland sei auch hier viel geschehen. „Gute deutsche Universitäten haben mittlerweile ein Ausbildungs- und Forschungsniveau erreicht, das absolut vergleichbar ist mit den top-amerikanischen Universitäten.“

 

>> Weitere Informationen hier


zur Übersicht