„Schauen wir, dass wir eine Zukunft haben“

In zwei World Cafés tauschten sich die Teilnehmerinnen zu Nachhaltigkeitsthemen aus. © Erwin Pils
In zwei World Cafés tauschten sich die Teilnehmerinnen zu Nachhaltigkeitsthemen aus. © Erwin Pils
In zwei World Cafés tauschten sich die Teilnehmerinnen zu Nachhaltigkeitsthemen aus. © Erwin Pils
In zwei World Cafés tauschten sich die Teilnehmerinnen zu Nachhaltigkeitsthemen aus. © Erwin Pils

27.06.2023

Kreislaufwirtschaft in Krankenhäusern, nachhaltige Projekte, der Green Deal in der Medizintechnikbranche und brisante Diskussionen zu Umweltfragen im World Café: Nachhaltigkeit war eindeutig das prägende Thema des diesjährigen MedTech.Circles bei der Energie AG, organisiert vom Medizintechnik-Cluster der oö. Standortagentur Business Upper Austria. Wichtige Inputs rund um Regularien und Digitalisierung wurden aber trotz der Klimaproblematik nicht ausgespart. Unter den Teilnehmer:innen waren auch ausgewählte Studierende der Johannes Kepler Universität, die sich mit Branchenvertreter:innen vernetzten.

Bereits zu Beginn machte Clustermanagerin Frauke Wurmböck darauf aufmerksam, dass dieses Jahr keine Zukunftsprognosen im Fokus stehen, sondern gehandelt werden muss. Das belegen Zahlen zum „Klimakiller“ Krankenhaus: Pro Jahr produzieren Krankenhäuser in Deutschland 4,8 Millionen Tonnen Abfall, das sind 13 Kilo pro Bett und Tag. „Wir können die Welt nicht retten, aber hoffentlich mit nachhaltigen Projekten einen Teil zur Verbesserung beitragen. Oft fehlt nur ein Puzzleteil. Aber dafür ist der Medizintechnik-Cluster da: um die richtigen Menschen mit den passenden Ideen zusammenzubringen. Schauen wir, dass wir eine Zukunft haben.“ Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner konnte aufgrund eines Terminkonflikts nicht persönlich vor Ort sein. In einer Videobotschaft bekräftigte er, wie wichtig die Arbeit im Cluster ist, um die Technologie- und Produktionsführerschaft beizubehalten. „Es geht in vielen Bereichen noch mehr. Wir können Operationen weniger invasiv machen, Menschen schneller von Krankheit weg in Richtung Gesundheit bringen. Es geht darum interdisziplinär zu denken und auch digitale Werkzeuge in allen Bereichen zu nutzen, um innovativ zu bleiben“, fordert Achleiter.

Vertrauen in neue Ideen

Georg Bauer von der STRATEC Consumables GmbH vertrat in seiner Rede den Beirat des Medizintechnik-Clusters: „Das Wort Vertrauen trägt uns durch den Tag. Es braucht Vertrauen, um eine Brücke zu schlagen, im Krankenhaus wie auch im Pflegebereich. Aber auch die Erfinderinnen, die mittlerweile mehrheitlich weiblich sind, müssen Vertrauen mitbringen, um ihre Ideen durchzusetzen. Und wir brauchen Vertrauen, um im Netzwerk, mit Mithilfe des Medizintechnik-Clusters gemeinsam Probleme zu lösen.“ Stefan Stallinger, Technikvorstand der Energie AG und Gastgeber, verglich die Ähnlichkeiten zwischen dem Gesundheitssystem und den Energieversorgern, da beide lebenswichtige Infrastruktur bereitstellen und vor ähnlichen Herausforderungen wie Personalmangel, trägen Systemen und der Digitalen Transformation stehen.

Im Klimaschutz zählen keine Ausreden

Die Keynote von Thomas Brudermann vom Institut für Umweltsystemwissenschaften der Universität Graz leitete das bestimmende Thema des Tages ein. Er präsentierte Mechanismen der Psychologie, warum Menschen sich lieber selbst täuschen als klimafreundlich zu leben. „Wir tendieren sowohl privat als auch in der Wirtschaft dazu, ein positives Selbstbild beizubehalten und sind daher um Ausreden nicht verlegen. Zwischen dem Selbstbild und dem Verhalten im Alltag klafft eine Lücke. Oft konzentriert man sich auf einfach umzusetzende Aktivitäten wie Licht ausschalten, weniger heizen oder Müll zu trennen. Das sind gute Anfänge, aber die Wirksamkeit für den Klimaschutz ist nicht gerade hoch. Wir müssen am Mindset und an den Strukturen arbeiten, um eine nachhaltige Welt zu gestalten.“

Recycling in Krankenhäusern

Strukturen zu ändern ist auch ein Anliegen von Christoph Burgstaller, Geschäftsführer und Forschungsleiter am Transfercenter für Kunststofftechnik (TCKT), und Petra Walzel von der OÖ Gesundheitsholding GmbH. In ihrem gemeinsamen Kooperationsprojekt HospiCycle stellten sie sich die Frage, wie hochwertiges Recycling von medizinischem Verpackungsmaterial bewerkstelligt werden kann. In drei Kliniken sammelten sie den Plastikmüll, der an einem einzigen Tag ganze 120 Kg und 6.000 Artikel ausmachte, bereiteten ihn aufwendig auf und stellten daraus hochwertige Becher her. Eine Anleitung für Krankenhausmitarbeiter soll es künftig ermöglichen, Kunststoffe im Kreislauf zu halten und somit auch den CO2-Ausstoß zu verringern. Ähnliche Ziele verfolgt auch die MIDES Healthcare Technology GmbH - das europaweit einzige Unternehmen in der Ultraschall-Medizintechnik, das industrialisierte und teilautomatisierte Reparaturen von Ultraschall-Sonden und -Endoskopen durchführt. Dagmar Heiden-Gasteiner stellte den MIDES Green Deal vor, der es schafft, den Spagat zwischen Gesundheitsversorgung und Umweltschutz zu machen. Mit den drei R – Repair, Refurbish und Re-use – werden bei MIDES fast sechs Tonnen Elektroschrott im Jahr eingespart und bis zu 70 Prozent der Kosten gespart.

Durchblick im Regularien-Dschungel 

Vor der Mittagspause, die nicht nur der Stärkung, sondern vor allem dem Netzwerken diente, legte Heiko Sittler von Aptean das Augenmerk auf moderne IT-Systeme und deren Hilfe beim Einhalten der Regularien bei Medizinprodukten. Das Thema leitete auch den Nachmittag ein. Herbert Stekel von QMD Services präsentierte die ersten Erfahrungen mit den neuen Regularien aus Sicht der Benannten Stelle, die es seit Beginn des Jahres endlich wieder in Österreich gibt. „Wenn ich heute nur eines erreiche, dann merken Sie sich bitte: Lesen Sie die Dinge zu Ende“, appelliert er an die Zuhörer:innen. Oft werden weiterführende Erklärungen in den Regularien übersprungen und stellen Medizintechniker:innen vor Probleme. Ein häufiger Fehler ist auch, dass bei der Einreichung Selftests und Near Patient Tests (NPT) verwechselt werden und es zu falschen Klassifizierungen kommt.

Digital Health und Künstliche Intelligenz

Bevor Medizinprodukte oder In-vitro-Diagnostika auf den Markt gebracht werden können, scheitert es aber oft an der Finanzierung. Die Lösung hat Regina Weinmüllner von der Austria Wirtschaftsservice GmbH mit maßgeschneiderten Start-up-Förderungen. Gründer:innen von Deep Tech Start-ups haben in diesem Jahr noch die Möglichkeit, ihre Digital Health-Ideen bei einem Call einzureichen. Eine weitere Ausschreibung zu Künstlicher Intelligenz ist ebenfalls in Planung. Die Förderung erhöht sich außerdem, wenn eine Frau im Gründerteam ist. Ein spannendes Projekt rund um Künstliche Intelligenz steht auch bei FiveSquare in den Startlöchern. Malte Busse, Head of Communication, und AI Specialist Moritz Willnauer präsentierten, wie sie es durch ein Wearable schaffen wollen, epileptische Anfälle mittels KI vorherzusagen. Thomas Wolfinger, Projektmanager im Medizintechnik-Cluster, nutzte die Gelegenheit, um über das neu gestartete Interreg-Projekt VReduMed zu informieren. Zehn Partner aus fünf mitteleuropäischen Ländern arbeiten die nächsten drei Jahre daran, die Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften mittels Virtual Reality zu erleichtern und zu verbessern. Am Ende soll ein Handbuch mit den dokumentierten Ergebnissen erscheinen.

Oberösterreich als Modellregion für Kreislaufwirtschaft

Christian Mayr, Projektmanager im Kunststoff-Cluster, stellte in seinem Beitrag die Circular Region OÖ vor. Seit einem Jahr gibt es rund um den EU Circular Economy Action Plan, der Teil des Green Deals ist, eine bahnbrechende österreichische Strategie mit definierten Zielen. Als Industrieland Nummer 1 will Oberösterreich bis 2030 zur führenden Modellregion Europas für kreislauffähige Wirtschaft werden und somit die zirkuläre Denkweise forcieren. Aktivitäten wie einschlägige Veranstaltungen, die Technologie-Roadmap Sustainable Plastics, das Projekt Circotronic, die Circular Academy und eine Circular Region Community sind bereits angelaufen.

Austausch im Word Café

Nach einem Impuls-Vortrag von Erich Lehner und Susanna Gross von Ernst & Young zu den Auswirkungen von Nachhaltigkeit auf die Medizintechnikbranche fanden sich die Teilnehmer:innen in Kleingruppen zusammen, um abwechselnd vier Fragestellungen zu Nachhaltigkeit zu diskutieren und zum Abschluss die Ergebnisse zu vergleichen. Auch diese Gelegenheit wurde genutzt, um sich besser kennenzulernen, zu vernetzen und künftige Kooperationen einzuleiten.

© Erwin Pils
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