Medizinproduktebranche in der Innovationsfalle

Austromed

23.11.2016

AUSTROMED-Herbstgespräche 2016: Medizinprodukte: besser, sicherer, hochwertiger – und trotzdem billiger!?

Das heimische Gesundheitssystem benötigt immer hochwertigere und sicherere Medizinprodukte. Dafür steht aber kaum mehr Geld zur Verfügung. Das führt langfristig dazu, dass Patienten moderne Produkte verwehrt werden, die jedoch Krankheitszeiten und Kosten reduzieren würden. Bei den gestern, Mittwoch, in Wien stattgefundenen AUSTROMED-Herbstgesprächen 2016 wurden mögliche Auswege aus der Innovationsfalle gesucht, in der das Gesundheitswesen und die österreichische Medizinproduktebranche stecken. AUSTROMED-Präsident Gerald Gschlössl: „Mit innovativen Medizinprodukten kann das Gesundheitssystem langfristig Kosten einsparen. Unser Ziel muss es sein, Methoden zu finden, die es ermöglichen, die Ersparnisse durch innovative Produkte in Zahlen zu fassen. Derzeit werden noch immer hauptsächlich die Stückkosten betrachtet und nicht die Prozesskosten.“

Qualität kommt vor Kosten
In seiner Keynote betrachtete der Schweizer Gesundheitsökonom Dr. Willy Oggier die Gesundheitssysteme in Europa und zeigte dabei deutlich auf, dass in Österreich vor allem noch von der Gesundheitspolitik zu klären ist, welche Ziele wir haben und mit welchen Rahmenbedingungen diese erreichbar sind. Vor allem angesichts einer immer weiter alternden Gesellschaft, bei der die Versorgung an Bedeutung gewinnt, muss die Wirksamkeit der Maßnahmen vor der Wirtschaftlichkeit gereiht werden. Mit den Worten: „Qualität kommt vor Kosten“ und „Nichts tun ist keine Alternative“ brachte es Dr. Oggier auf den Punkt. Er kritisierte in seinem Vortrag vor allem den mangelnden Willen, eine Strukturdiskussion im Gesundheitswesen zu führen und forderte einen raschen Kultur- und Strukturwandel, da sonst Österreich im internationalen Vergleich noch weiter abrutschen wird.

Im Anschluss an die Keynote diskutierte das Podium unter der Leitung von Doris Nentwich das Spannungsfeld zwischen beschränkten Budgets, dringend notwendigen medizinischen Innovationen einer Branche, die enorme finanzielle Ressourcen für Forschung und Entwicklung aufbringen muss, aber diese Kosten kaum mehr erstattet bekommt. Dr. Claudia Wild, Leiterin des Instituts für Health Technology Assessment des Ludwig Boltzmann Institut betonte in der Diskussion, dass sie in der neuen EU-Medizinprodukteverordnung eine Chance sieht. Wild: „Verschärfte Vorschriften und die höhere Datentransparenz für die Zulassung von Hochrisikoprodukten könnten sich so positiv auf das Health Technology Assessment auswirken.“

Wege zu innovativen Produkten und Effizienzsteigerungen
In der Diskussion wurde nicht nur über neue Finanzierungsformen diskutiert, sondern auch über ein verändertes Patientenverhalten – zum Beispiel auf Grund der besseren Informationsmöglichkeiten per Internet. Dabei war auch die Idee einer freiwilligen Selbstbeteiligung der Patienten, um noch bessere Produkte zu erhalten. Dr. Alexander Biach, WGKK, Stellvertreter der Obfrau und Stv. Direktor der WK Wien: „Innovative Medizinprodukte sind für Krankenkassen vor allem dann wichtig, wenn sie Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der Patienten nachweislich verbessern oder kostengünstiger machen. Im Zentrum steht eine möglichst hochwertige Versorgung, die durch die finanziellen Möglichkeiten des Sozialversicherungssystems natürliche Grenzen hat. Eine darüber hinausgehende Versorgung mit speziellen, kostenintensiven Produkten könnte künftig noch stärker durch Beteiligung anderer Systempartner erfolgen.“

Vor allem die Erfahrungsberichte aus der Praxis und neue Methoden, um die Schere zwischen Budgetknappheit und Nutzen aus innovativen Produkten stießen bei den Gästen der Veranstaltung auf reges Interessen. Prof. Dr. Sylvia Schwarz, Präsidentin des Obersten Sanitätsrats: „Standortbegrenzung und Zentrumsbildung sind wesentliche Schritte zur Effizienzsteigerung im Krankenhausbereich. Die Konzentration medizinischer Leistungen steigert die Qualität der Patientenversorgung und garantiert eine hochwertige medizinische Ausbildung für die zukünftige Ärzteschaft.“

Optimale Produkte für die Patienten stehen im Mittelpunkt
Christian Schauer, NÖ Landeskliniken-Holding, Abteilungsleiter Einkauf: “Durch eine neue Innovationsrichtlinie versuchen wir gezielt Innovationen in das System einzuschleusen. Dabei soll der Nutzen für den Patienten über verschiedene Wege ermittelt werden, um so rechtzeitig im Vorfeld finanzielle Vorkehrungen für die Zukunft treffen zu können. Besonders wichtig ist dabei, dass die neuen Produkte auf die Anwender optimal zugeschnitten sind. Transparenz und Daten sind dabei wichtig um spezielle Themen voranzutreiben. Ein gutes Beispiel ist hier etwa die Entscheidung zwischen Ein- oder Mehrwegprodukten.“

AUSTROMED Präsident Gschlössl abschließend: „Österreich ist gezwungen Innovationen voranzutreiben, denn eine Verweigerung würde zu unüberschaubaren gesellschafts-politischen Problemen führen. Unser Ziel muss eine Partnerschaft sein, bei der die Medizinproduktebranche direkt auf den Bedarf des Gesundheitswesens eingehen kann und so sowohl der Patient als auch die bezahlende Stelle eine optimales Produkt erhält.“

Die diesjährigen Herbstgespräche waren ein außerordentlicher Erfolg. Über 100 Gäste nahmen an der Veranstaltung teil und nutzten im Anschluss an die Podiumsdiskussion die Möglichkeit zu einem angeregten Erfahrungsaustausch und Netzwerken.

 

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